Von Michael Gasser. Berner Zeitung
Mit ihrer vierten Platte schiesst Stefanie Heinzmann übers Ziel hinaus. Bei ihrer Suche nach dem vollkommenen Sound vergisst die Walliser Sängerin, dass weniger bisweilen mehr ist.
Stefanie Heinzmann hat sich für ihr viertes Album, «Chance of Rain», viel vorgenommen. Sie ging eigens in die grosse weite Welt hinaus, um Songs zu schreiben und an diesen zu feilen. In Nashville, Los Angeles, London oder Berlin suchte sie Inspiration und den perfekten Sound. Das Ergebnis klingt denn auch makellos und abgeklärt und hat nur ein Ziel vor Augen: das Erklimmen der Hitparade.
Den Soul und die Motown-Einflüsse hat die Walliserin aus Visp nicht aufgegeben, aber spürbar gedrosselt. Im Fokus steht jetzt Pop, der nirgends aneckt und so stromlinienförmig ist, dass man ihn kaum mehr wahrnimmt. Wäre da nicht die vielschichtige Stimme Heinzmanns, die Platte fände keine weitere Beachtung.
Die Musikerin, die 2007 durch Stefan Raab und seine Castingshow zum Begriff wurde, mag offensichtlich nicht mehr nur als Powerröhre gelten. Entsprechend finden sich auf «Chance of Rain» viel Midtempo und auch Versuche zur Ballade. Das von einem Astronauten in Aktion handelnde «Closer to the Sun» macht mit ein paar knalligen Beats auf sich aufmerksam, kommt jedoch trotzdem nicht vom Fleck. Und «Waterfall» versucht durch Vielstimmigkeit und mit kühler Elektronik einzunehmen, mutet aber wie ein Liedchen an, das für eine Schüleraufführung konzipiert wurde – ausgesprochen harmlos. Nichts ist schlecht, doch kaum etwas überzeugt. Auf «Stranger in This World» vermengt Heinzmann Afrorhythmen mit Singer-Songwriter-Befindlichkeiten, das ist nett. Und «On Fire» verbindet sie Fetziges mit Understatement und lässt damit kurz aufhorchen, immerhin.
Letztlich gelingt es keinem der Stücke, sich richtig festzuhaken. Geschenkt, dass die Künstlerin über etliches Talent verfügt. Doch nun wäre es auch an der Zeit, etwas aus diesem zu machen. Statt durchschnittliche Kompositionen möglichst kunstfertig zu singen, sollte sich Stefanie Heinzmann lieber nach Songs mit Charakter und dem viel zitierten bisschen Dreck umsehen. «Chance of Rain» ist brav und eine Enttäuschung, weil man spürt: Hier wäre mehr dringelegen, viel mehr.
Das Album erscheint morgen, am 27. März 2015. (Universal)