Stefanie Heinzmann
Der Nationalrat will Hotels und Spitäler von der Urheberrechtsvergütung befreien. Prominente Künstler wehren sich in einem offenen Brief.
Am Wochenende war es so weit. Prominente wie Sina, Büne Huber, Marc Sway und Stefanie Heinzmann wandten sich in einem offenen Brief ans Parlament. «Wir verschenken unsere Arbeit nicht!», heisst es in dem Schreiben, das von zwei Dutzend Künstlern unterzeichnet wurde. Es geht um die Urheberrechtsrevision, die seit sieben Jahren pendent ist und nun bereinigt werden soll. Eine Frage ist noch offen: Sollen Hotels, Ferienhausbesitzer, Spitäler und Gefängnisse weiterhin eine Urheberrechtsvergütung leisten? Der Nationalrat will diese Institutionen davon befreien, der Ständerat nicht. Eine solche Ausnahmeklausel würde für die Schweizer Musiker Einbussen von 1 bis 1,5 Millionen Franken pro Jahr bedeuten.
Wer audiovisuelle Werke anderen zugänglich macht, schuldet den Urhebern dieser Werke eine Vergütung. So steht es im Gesetz. Nun gibt es Ausnahmen, etwa wenn ein Werk im Freundeskreis oder unter Verwandten gezeigt wird, von Lehrpersonen in der Schule verwendet oder in Kommissionen gezeigt wird. Neu soll auch die Verbreitung von Werken in Hotels, Ferienhäusern, Spitälern und Gefängnissen als «Eigenverbrauch» gelten.
Der Antrag stammt vom Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod, der offensichtlich der Tourismusbranche seines Heimatkantons einen Gefallen tun will. Nantermod war am Montag nicht erreichbar. Die nationalrätliche Rechtskommission wie auch das Plenum hatten seinen Antrag gutgeheissen, der Ständerat hat ihn im Frühling wieder aus dem Gesetz gekippt. Nun entscheiden die Räte diese Woche nochmals im Rahmen der Differenzbereinigung.
Wallis gegen Wallis: Der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod beantragte im Parlament die Ausnahme für Hotels, die Walliser Sängerin Stefanie Heinzmann ist dagegen.
Marc Trauffer, der Berner Mundartsänger, ist einer der Unterzeichnenden des offenen Briefs. Er engagiere sich nicht für sich selber, sagt der 40-jährige Trauffer im Gespräch mit dieser Zeitung. Als mehrfacher Gewinner eines Swiss Music Award gehört er zu den erfolgreicheren Musikern in der Schweiz. Er habe den Brief aus Solidarität mit Branchenkollegen mitunterzeichnet, die auf Urheberrechtsvergütungen angewiesen seien, sagt er.
Für ihn fallen die wenigen Tausend Franken, die ein Schweizer Künstler im Schnitt pro Jahr von der Verwertungsgesellschaft Suisa bekommt, nicht ins Gewicht. Für kommerziell weniger erfolgreiche Künstler sind sie unter Umständen ein wichtiger Beitrag an die Lebenshaltungskosten. Zudem gehe es ums Prinzip, sagt Trauffer: «Wir wollen, dass die schöpferische Arbeit entschädigt wird.»
Es sei sehr schade, dass die Urheberrechtsrevision, ein austarierter Kompromiss, nun im letzten Moment zulasten der Kultur und zugunsten des Tourismus verändert werde, sagt Christoph Trummer von Sonart, der Vereinigung Schweizer Musikschaffender. Erstens mache die Urheberrechtsvergütung pro Hotelzimmer und Monat weniger als einen Franken aus. Zweitens sei die Auswahl der künftig ausgenommenen Institutionen so willkürlich, dass absehbarerweise auch andere Institutionen eine Ausnahme begehrten: «Spitäler müssten keine Vergütung mehr zahlen, aber die Pflegeheime immer noch – das ist doch absurd.»
Zudem würden Hotels und Ferienhausbesitzer ihr Angebot von Radio- und Fernsehempfang bewerben, also kommerziell nutzen. Kritisiert wird ausserdem, dass ausländische Kulturschaffende ihre Vergütungen weiterhin einfordern könnten, Schweizer Künstler jedoch nicht mehr.
Zwei Dutzend Prominente haben den offenen Brief unterzeichnet, darunter Patent-Ochsner-Sänger Büne Huber.
Der letzte Punkt war mit ein Grund, warum der Ständerat den Passus gestrichen hat: Ruedi Noser (FDP), Präsident der im Ständerat zuständigen Wissenschafts- und Bildungskommission, sowie Justizministerin Karin Keller-Sutter warnten vor einer Verletzung von internationalem Wettbewerbsrecht. Die FDP-Vertreter bekämpften also den Antrag ihres freisinnigen Walliser Kollegen.
Im Nationalrat war die linke Ratshälfte für die Anliegen der Musikschaffenden, die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP unterstützten hingegen die Hotels. Für Matthias Aebischer (SP, BE) ist die Auswahl der befreiten Institutionen willkürlich. Es würden weitere Begehrlichkeiten geweckt, sagt er. SVP-Nationalrat Claudio Zanetti befürwortet die Ausnahme. Die Musikbranche habe bei der Urheberrechtsrevision schon genügend erreicht, «irgendwann ist auch einmal Schluss».